Zebra in der Schmuddel-Ecke

Gastblog-Beitrag von Andreas Missbach. Er leitet bei der entwicklungspolitischen Organisation Erklärung von Bern den Fachbereich „Banken und Finanzplatz Schweiz“.

Der Damm ist gebrochen: Der Bundesrat spricht sich explizit gegen unversteuerte Gelder auf dem Finanzplatz Schweiz aus. Schöne Worte und halbherzige Zugeständnisse reichen aber nicht. Denn die Milliarden, die Entwicklungsländern durch Steuerflucht heute entgehen, sind dort für Investitionen in Bildung, Gesundheit und Armutsbekämpfung dringender nötig denn je.


Unter Entwicklungsfachleuten herrscht heute ein breiter Konsens, dass die UNO-Entwicklungsziele (Millennium Development Goals) nicht erreicht werden können, wenn die Entwicklungsländer ihre Steuereinnahmen nicht massiv steigern können. In der Schweiz liegen mindestens 400 Milliarden unversteuerter Gelder aus Entwicklungs- und Schwellenländern, es dürften aber noch deutlich mehr sein. Ihre jährlichen Verluste durch Steuerflucht in die Schweiz betragen um die 10 Milliarden Franken jährlich, also ein Vielfaches der Schweizer Entwicklungshilfe von 1,5 Milliarden.

Nun hat die Schweiz ihren jahrzehntelange Widerstand gegen den OECD-Standard über „Informationsaustausch auf Anfrage“ zwar endlich aufgegeben, das Wort „Entwicklungsländer“ sucht man in der Finanzmarktstrategie des Bundesrates jedoch vergebens. Viele dieser Staaten haben gar kein Doppelbesteuerungsabkommen mit der Schweiz und zudem werden jetzt natürlich zuerst die Abkommen mit den mächtigen Industriestaaten neu verhandelt. Einzige Ausnahmen sind Indien und Kasachstan. Überdies will die Schweiz bei Doppelbesteuerungsabkommen auch Zugeständnisse und diese können schnell einmal mehr kosten, als das stumpfe Instrument „Informationsaustausch auf Anfrage“ im besten Fall bringen kann.

Wirksames Tabuthema

Es gibt nur ein Instrument, dass wirksam die Besteuerung grenzüberschreitend angelegter Vermögen nach den Regeln und Steuersätzen des Herkunftslandes erlaubt: Der automatische Informationsaustausch. Dies gilt auch für Entwicklungsländer und deshalb fordern ihn nicht nur Nichtregierungsorganisationen. Eine UNO-Expertengruppe zur Finanzkrise unter Leitung des Wirtschaftsnobelpreisträgers Joseph Stiglitz verlangt ebenfalls den automatischen Informationsaustausch.

Der Bundesrat lehnt diesen weiterhin kategorisch ab und betet dazu das von der Bankenlobby lancierte Argument des „gläsernen Bürgers“ nach. Nach dieser Massgabe wäre in der Schweiz bereits heute die Mehrheit der Lohnabhängigen „gläsern“, schliesslich werden die Steuerbehörden mit dem Lohnausweis genauestens über ihre Einkommensverhältnisse informiert.

Zugegeben, es gibt einige wenige Entwicklungsländer, deren Rechtstaatlichkeit derzeit ausreichend ist für einen automatischen Informationsaustausch, zudem sind technische Fragen zu lösen. Dies geschieht am besten in einem multilateralen Prozess unter Beteiligung von Industrie- und Entwicklungsländern. Würde die Schweiz ihre grundsätzliche Ablehnung aufgeben, könnte sie diese neuen Regeln für einmal aktiv mitgestalten. Was sonst droht, ist eine Rückkehr in die Schmuddelecke, mit einem Finanzplatz, der sich zunehmend auf Steuerfluchtgelder aus Entwicklungs- und Schwellenländern spezialisiert. 2008 kamen bereits fast die Hälfte der Neugelder aus Schwellenländern. Nachhaltig ist diese „Zebra-Strategie“ (Weissgelder aus der OECD, Schwarzgelder vom Rest der Welt) auf keinen Fall. Denn es ist nur eine Frage der Zeit, bis auch aus den Entwicklungs- und Schwellenländern der politische Druck zunimmt.

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