Neue Doppelbesteuerungsabkommen: Schweiz diskriminiert Entwicklungsländer

Wir dokumentieren hier eine Presseerklärung von Alliance Sud, der gemeinsamen Entwicklungspolitischen Organisation von sechs Schweizer Hilfswerken. Weitere Informationen auf der Seite von Alliance Sud.

Der Schweizer Bundesrat hat am vergangenen Mittwoch sechs neue internationale Doppelbesteuerungsabkommen verabschiedet. Zwei davon betreffen Länder, in denen die Schweiz Entwicklungshilfe leistet: Georgien und Tadschikistan. Doch ausgerechnet diesen beiden Ländern will die Schweizer Regierung keinen Informationsaustausch in Steuerfragen gewähren. Ihr Versprechen, für einen sauberen Finanzplatz zu sorgen, ist damit Makulatur geworden.
Am 25. August 2010 hat der Bundesrat erstmals neue Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) mit Ländern verabschiedet, in denen die Schweiz Entwicklungshilfe leistet. Vorkehrungen gegen die Steuerflucht in die Schweiz sucht man in den beiden neuen Verträgen mit Georgien und Tadschikistan jedoch vergeblich. Ein Informationsaustausch in Steuerfragen, wie ihn das OECD-Musterabkommen vorsieht, ist darin nicht festgelegt worden.
Alle anderen Doppelbesteuerungsabkommen, welche die Schweiz seit dem März 2008 unterschrieben hat, betreffen ausschliesslich reiche Industrieländer, den Ölstaat Katar und das OECD-Mitglied Mexiko. Sie entsprechen ohne Ausnahme dem OECD-Standard und sehen die internationale Amtshilfe – den Informationsaustausch auf Anfrage – nicht nur bei Steuerbetrug, sondern auch bei einfacher Steuerhinterziehung vor. Nur den ärmeren Ländern will der Schweizer Bundesrat diesen Standard offensichtlich vorenthalten.
Damit verstösst er klar gegen das Gebot der entwicklungspolitischen Kohärenz. Ausgerechnet die Entwicklungsländer, die dringend Steuergelder für die Armutsbekämpfung und soziale Projekte brauchen, sollen keine Unterstützung im Kampf gegen die Steuerhinterziehung erhalten. Auf der einen Seite leistet die Schweiz in diesen Ländern wertvolle Entwicklungshilfe, auf der anderen Seite unternimmt sie nichts dagegen, dass Steuerhinterzieher ihr Geld schwarz auf Schweizer Banken deponieren und damit ihrem Land entziehen.
Dabei hat der Bundesrat in jüngster Zeit mehrfach beteuert, dass alle zukünftigen internationalen Steuerverträge der Schweiz dem OECD-Standard entsprechen sollen. So auch in seiner Antwort auf eine Motion der Wirtschaftskommission des Nationalrates vom August 2009, die ein Konzept zur Gleichbehandlung aller Länder bei den Doppelbesteuerungsabkommen verlangte. Mit den neuen Abkommen mit Georgien und Tadschikistan ist dieses bundesrätliche Verspechen bereits wieder Makulatur geworden.
Alliance Sud, die entwicklungspolitische Arbeitgemeinschaft der Schweizer Hilfswerke, wird sich dafür einsetzen, dass das Parlament den Fehlentscheid des Bundesrates korrigiert. Die Diskriminierung der Entwicklungsländer beim Informationsaustausch in Steuerfragen dürfte auch im Länderexamen des OECD-Steuerforums, das der Schweiz noch dieses Jahr bevorsteht, Minuspunkte ergeben.

Mark Herkenrath, Alliance Sud (mark.herkenrath[|ät|]alliancesud.ch)